Herr Dohler, der neue EWE-Leitsatz lautet: „Klimaschutz machbar machen. Heute. Morgen. Für Generationen.“ Was heißt das in Ihren eigenen Worten?
Wir sind als Unternehmen in einer ganz besonderen Verantwortung und können die Zukunft rund um den Klimaschutz nachhaltig sehr gut beeinflussen. Wir treffen sehr große und weit in die Zukunft reichende Investitionsentscheidungen. Klimaschutz soll nicht nur ein Wort bleiben, sondern umgesetzt und machbar gemacht werden, auch für die nächsten Jahrzehnte.
Warum ist Klimaschutz mehr als nur ein Trendthema?
Weil das ein Thema ist, an dem niemand vorbeikommt. Das ist wie mit Zahnschmerzen: Man kann sie eine Zeit lang ignorieren, aber irgendwann tut es richtig weh. Zudem haben wir viel zu lange natürliche Ressourcen stark aufgebraucht, um Wohlstand und Wachstum zu schaffen. Es darf nicht nur um Wachstum gehen – Klimaschutz steht jetzt an erster Stelle.
In welchen Bereichen ist EWE ganz klar Pionier?
Etwa auf dem Gebiet der Infrastruktur. EWE betreibt viele Energienetze, wo wir konsequent versuchen, so viel erneuerbare Energien aus regionaler Erzeugung wie möglich zum Einsatz zu bringen. In Deutschland sollen bis 2030 insgesamt 65 Prozent an regenerativen Energien im Strommix enthalten sein – wir haben heute bei EWE schon weit über 90 Prozent in unseren Netzen. Das heißt, wir sind etwa zehn Jahre vor der Welle und bringen die notwendigen technischen Voraussetzungen mit. Wir waren beim Thema On- & Offshore-Windenergie sehr früh dabei und haben hier großflächig investiert, außerdem arbeiten wir – schneller als von der Bundesregierung gefordert – am konsequenten Kohleausstieg. Im Bereich der Mobilität glauben wir sehr stark an die Wirkung von grünem Wasserstoff als Ergänzung zu E-Autos. Eine digitale Infrastruktur, also der Ausbau von Glasfaser und Breitband, ist dafür die Basis, die Grundlage für diese Welt. Es gibt also eine große Palette an Themen, die wir parallel vorantreiben.
Durch die Corona-Krise wird eine schwere globale Rezession erwartet. Verliert das Thema Klimaschutz dadurch an Relevanz?
Alle Unternehmen müssen sich umstellen und schauen, wie sie gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen. Klimaschutz geht Hand in Hand mit Innovationen, das ist der richtige Weg aus der Krise. Aktuell wird deutlich weniger CO2 ausgestoßen als vorher, das ist ein positiver Effekt. Die Menschen besinnen sich auf ihre Region, auf Zusammenhalt. Wir sind im Prozess der Veränderung – und den wollen wir so nachhaltig wie möglich gestalten.
Blicken wir in die Zukunft: Wie nachhaltig wird unser Alltag in 2030 konkret aussehen? Können Sie konkrete Szenarien beschreiben? Was würden Sie sich etwa persönlich wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass wir Klimaschutz in zehn Jahren sehr viel vernetzter denken, das heißt, dass Mobilität, Wärme, Strom und Industrie damit eng verbunden sind. Im Bereich der Schwertransporte sind mehr Wasserstoff-Lkws unterwegs, während E-Autos den Straßenverkehr prägen. Die Industrie wird sich stärker auf nachhaltige Lieferketten einlassen und in der Energieversorgung werden wir die Kernenergie verabschiedet haben. Ich würde mir wünschen, dass wir nicht erst 2038, sondern bereits 2030 den Kohleausstieg feiern. Und dass es einen gesellschaftlichen Konsens darüber gibt, dass sich auch unsere Infrastruktur verändern wird, das heißt mehr Akzeptanz für Windparks, Stromleitungen oder Großspeicher, um auch eine klimaneutrale Wirtschaft auf digitaler Basis aufbauen zu können. Ich bin sehr optimistisch, dass uns das gelingen wird.