Der „Weserkurier“ schreibt euphorisch: „Grünes Gold für Ostfriesland“. Das passt doch eigentlich nicht zur sachlichen norddeutschen Art, oder?
Werner Müller: Man muss sagen, das Projekt ist sehr gut gelaufen. Wir hatten einen straffen Zeitplan, bis Ende 2023 sollte die Leitung betriebsfertig sein – und das haben wir geschafft. Am 19. Dezember wurde die letzte goldene Naht hergestellt, gefolgt von Abnahme und Inbetriebnahme.
Auf die Gefahr hin, ein wenig pessimistisch zu klingen, aber hierzulande ist man es eigentlich gewohnt, dass sich Bauarbeiten verzögern und nur selten pünktlich fertig werden. Welche Fehler wurden beim Bau der Zukunftsleitung vermieden?
Werner Müller: Das kann ich nicht beantworten. Ich würde es gerne anders formulieren. Wir hatten von Anfang an eine sehr gute und enge Abstimmung mit allen Beteiligten, ob z.B. Behörden, Kommunen, Interessenvertretungen der betroffenen Nutzungsberechtigten, Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern. Bei allen Fragen zur Genehmigung, zum Bau und zu den Nutzungsrechten haben wir ganz enge Verbindungen aufgebaut. Bei Fragestellungen sind wir stets mit konkreten Lösungsvorschlägen um die Ecke gekommen. Viele Behörden haben mir bestätigt, dass wir kein Problemträger waren, sondern ein Problemlöser. Die Geschlossenheit aller Beteiligten und der unbedingte Wille zur fristgerechten Fertigstellung des Projekts waren ein Schlüssel des Erfolges.
In neun Monaten reiner Bauzeit ist noch kein vergleichbares Projekt in Deutschland fertig geworden.
Werner Müller: Der enge Zeitplan ist aus einer Notwendigkeit entstanden. Auf die Auswirkungen des Ukraine-Krieges mussten wir schnell reagieren, weil schnell klar war, dass die Abhängigkeit von russischem Gas ein baldiges Ende finden muss. Wir standen vor der Herausforderung, einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit in der Region – und darüber hinaus – sicherzustellen. Es stand für uns daher von Anfang an fest, dass wir bis Ende 2023 fertig sein müssen. Dieses Ziel hatten alle Beteiligten vor Augen: EWE NETZ, die bauausführenden Firmen und alle zuständigen Behörden. Am Ende war es eine fantastische Teamleistung, bei der sich alle der Verantwortung und der Zielsetzung bewusst waren. Sowohl das Fachpersonal als auch die notwendigen Maschinen wurden optimal organisiert, auch wenn wir es mitunter mit sehr widrigen Witterungsbedingungen zu tun hatten. Es war kein gutes Baujahr, 2023 hat es sehr viel geregnet.
Was hat die Zukunftsleitung gekostet? Und wie viel Geld kam aus dem Bund?
Werner Müller: Gelder aus dem Bund sind da überhaupt nicht reingeflossen. Der Betreiber GTG Nord muss das finanziell selbst stemmen. Dabei sprechen wir von mehr als 200 Millionen Euro. Als EWE NETZ waren wir für die Planung, das Genehmigungsverfahren, die Bauabwicklung sowie für das Wegerecht des Projekts verantwortlich. Das Leitungseigentum und die vertraglich vereinbarten Rechte liegen bei GTG Nord.
Wie geht es jetzt weiter? Ist das Projekt mit der Inbetriebnahme abgeschlossen?
Werner Müller: Wir haben eine betriebsfertige Leitung am 19. Dezember 2023 unter die Erde gebracht, aber müssen im Jahr 2024 noch diverse Restarbeiten ausführen. Zum Beispiel müssen wir noch den KKS (kathodischer Korrosionsschutz) für die unterirdische Leitung errichten. Wir müssen die Baustraßen wieder entfernen, Logistikplätze zurückbauen und sämtliche Flächen, die von uns in Anspruch genommen wurden, rekultivieren und den Landwirten wieder ordnungsgemäß übergeben. Wir sind uns der Verantwortung und der Herausforderung bewusst, denn wir waren auf diesen Flächen nur zu Gast. Das Ziel ist, spätestens Ende August 2024 alle Flächen zurückzugeben.
In Zukunft soll nicht nur Erdgas, sondern auch grüner Wasserstoff durch die Leitungen strömen. EWE verprobt bereits die Speicherung in Kavernen, die bislang für Erdgas verwendet wurden. Ab wann ist es so weit?
Werner Müller: Bereits ab 2028 soll Wasserstoff durch die h2-ready gebaute Leitung strömen. Die Leitung könnte dann wesentlicher Bestandteil des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes werden.