Die Szene ist Luca Pöker im Gedächtnis geblieben. Es war Weihnachten 2023, als er eine Wagenladung voller Weihnachtsgeschenke im Waisenstift Varel vorbeibrachte. „Die größeren Kinder waren sehr zurückhaltend“, erinnert er sich. „Aber die Kleinen haben sich einfach nur gefreut und riefen: Da kommen die Weihnachtsmänner!“
Eigentlich ist Pöker Auszubildender zum Industriekaufmann bei EWE NETZ. Aber bereits ab dem Spätsommer bis in den Dezember hinein haben er und knapp 20 Azubi-Kolleginnen und -Kollegen eine Menge zusätzliche Dinge auf dem Zettel, die nicht zum Lehrplan gehören. Sie kümmern sich darum, Weihnachtswünsche von Kindern zu erfüllen, die sonst wohl keine Geschenke zum Fest bekommen würden. Seit 2018 sammeln EWE Azubis jedes Jahr erst Wunschzettel von gemeinnützigen Organisationen wie Waisenhäusern, dem DRK oder der Diakonie ein. Dann suchen sie über einen Intranet-Aufruf Mitarbeitende von EWE und BTC, die diese Wünsche erfüllen wollen, holen die fertig verpackten Geschenke ab und transportieren sie später an die Empfänger. „Jeder von uns betreut faktisch ein eigenes kleines Projekt“, sagt Markus Lider, ebenfalls Auszubildender zum Industriekaufmann bei EWE NETZ: „Das ist schon viel Vertrauen, was man uns da entgegen bringt.“
Zusätzlich zum Vertrauen gewährt EWE den Azubis Zeit: Alle Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Aktion anfallen, dürfen sie während der Arbeitszeit erledigen. Und das Unternehmen stellt Platz zur Verfügung, um die Geschenke zwischenzulagern. Die meisten stapeln sich von Oktober bis Ende Dezember in einem umgewidmeten Konferenzraum in der Großen Wisch in Oldenburg. Bälle, Gesellschaftsspiele, Kuscheltiere, Pokémonkarten, Jacken, Schuhe, Barbie-Puppen, Trikots. Für die Größeren auch Handyhüllen und Gutscheine für Drogerieketten.
Was alle Wünsche gemein haben, ist der Preis. Kein Geschenk sollte einen Wert von 15 Euro übersteigen. „Zum einen wollen wir die Hemmschwelle zum Mitmachen möglichst niedrig halten“, sagt Luca, „Zum anderen wollen wir vermeiden, dass Kinder neidisch auf andere Kinder werden, die ein viel teureres Geschenk erhalten haben.“
Mit ein bisschen Kreativität kann dabei einiges herauskommen, sagt Thorsten Schramm, Projektingenieur bei EWE TEL. So steht auf dem Wunschzettel eines zweijährigen Mädchens, den er dieses Jahr ausgesucht hat, ein Puppenhaus. „Für 15 Euro würde das eher klein ausfallen“, sagt er, „darum gucke ich jetzt nach gebrauchten Häusern. Und vielleicht kaufe ich Material für 15 Euro und baue selbst ein großes.“
Schramm kennt die Weihnachtsaktion bestens. Denn er ist nicht nur seit Jahren Spender, sondern war 2017 auch deren Initiator. „Damals erzählte mir ein Freund aus Studienzeiten von einer ähnlichen Aktion in seinem Unternehmen.“ Schramm trug die Idee zum EWE-Betriebsrat – und rannte offene Türen ein. „Der Betriebsrat hatte auch die Idee, die Organisation den Azubis zu übertragen“, erzählt Schramm: „Ein Jahr später ging es los und seitdem findet die Aktion jedes Jahr statt.“
Die ersten Geschenke erhielt damals ein Nachmittagstreff für Kinder aus sozial benachteiligten Familien in Oldenburg, als Transportmittel diente ein Kombi. Heute planen die Azubis mit Lkw, um Empfänger in ganz Niedersachsen zu erreichen. Die Zahl der Wunschzettel ist 2024 auf über 1.200 angewachsen. Und auch das Azubi-Team ist inzwischen breiter aufgestellt. Machten anfangs nur Auszubildende von EWE TEL mit, sind heute auch helfende Hände von EWE NETZ, der EWE AG, BTC und dem Vertrieb dabei. Für Markus Lider ist das einer der wichtigsten Gründe, um mitzumachen: „So kommen wir auch mit Berufsgruppen in Kontakt, mit denen wir sonst nicht zusammenkämen. Das stärkt auch das Gemeinschaftsgefühl im Unternehmen.“
Daneben gibt es natürlich noch einen anderen Grund, zu helfen. Um Momente zu erleben wie den im Waisenhaus 2023. „Es ist schön, wenn man Kindern helfen kann, denen es nicht so gut geht“, sagt Luca und fügt hinzu: „Letztlich funktioniert die ganze Sache aber nur, weil die EWE-Mitarbeitenden spenden.“ Dem Kind im Waisenhaus, das sich bei ihm bedankte, erklärte er darum bescheiden: „Eigentlich kommen die Geschenke gar nicht von mir.“ Aber der echte Weihnachtsmann hat ja auch Helfer.