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    EWE NETZ-Experte erklärt: Warum gibt es so selten Stromausfall?

    Hätten Sie es gewusst? EWE NETZ ist einer der ausfallsichersten Netzbetreiber Europas. Mit nur rund vier Minuten liegt die Nichtverfügbarkeit von Strom bei EWE NETZ weit unter dem Bundesdurchschnitt. Was sind die Gründe dafür? Experte Gert Jüchter erklärt im Interview, warum die Netze so stabil sind, Verbraucher extrem selten auf Strom verzichten müssen und ob dieser Komfort auch weiterhin gewährleistet werden kann.

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    Gert Jüchter Der Netzexperte
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    Gert Jüchter (45) ist Elektroingenieur und arbeitet seit 2010 bei EWE NETZ. Seit 2015 ist er Leiter der Netzleitstelle Strom in Oldenburg. Gemeinsam mit 15 Schaltmeistern überwacht und steuert er das Stromnetz von EWE rund um die Uhr.

    Hallo Gert, EWE-Kundinnen und -Kunden haben extrem selten Stromausfall. Mit jährlich lediglich ca. vier Minuten Nichtverfügbarkeit sprechen wir von einem der stabilsten Netze Europas. Zum Vergleich: Der deutsche Durchschnittswert liegt bei 12 Minuten pro Kunde und Jahr. Was sind die Gründe dafür?

    Gert Jüchter: Der Hauptgrund ist, dass unser Netz zu einhundert Prozent verkabelt ist und vollständig unter der Erde liegt. Das ist bei vielen anderen Netzbetreibern nicht der Fall, dort gibt es noch einen hohen Anteil an Freileitungen, die anfällig für extreme Witterung sind. Ein Beispiel: Wenn bei Sturm ein Baum umkippt, dann beeinflusst das die Freileitung natürlich mehr als unsere unterirdischen Leitungen.

    Außerdem investiert EWE NETZ große Summen in seine Netze – im Jahr 2023 waren es beispielsweise 100 Millionen Euro. Es bringt nichts, die Netze einmal zu verlegen und sie dann 50 Jahre einfach liegen zu lassen. Sie müssen fortlaufend repariert, in Stand gehalten und auch erweitert werden – zum Beispiel, um steigende Strommengen aus erneuerbaren Energiequellen aufnehmen zu können. Das ist vergleichbar mit einer Autobahn, die um eine Spur verbreitert wird, damit der Verkehr besser fließt.

    Warum kommt es dann überhaupt noch zu Stromausfällen?

    Gert Jüchter: Es kann immer vereinzelt Ausfälle aufgrund defekter Komponenten geben. Den größten Einfluss haben allerdings externe Ursachen, zum Beispiel Bauarbeiten. Es kommt leider immer mal wieder vor, dass ein Baggerfahrer aus Versehen ein unterirdisches Kabel beschädigt.

    Dauert es lange, den jeweiligen Schaden zu reparieren?

    Gert Jüchter: Nein, solche Störungen kommen immer mal wieder vor und sind nicht besonders problematisch. Wenn es etwa in einem Ortsteil Schaden an einem Mittelspannungskabel gibt, dann schaltet sich automatisch ein Netzbereich ab. Dieser fällt von der Ausbreitung möglichst gering aus, damit so wenig Kunden wie möglich beeinträchtigt werden. Diese Form des Netzschutzes ist weltweit etabliert. Die Netzleitstelle wird dann unmittelbar und automatisch über den Ausfall des Kabelabschnitts informiert. Zusammen mit unseren Monteuren, die flächendeckend 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche im Bereitschaftsdienst sind, wird der Schaden vor Ort genau lokalisiert und das fehlerhafte Kabel sicher vom Rest des Netzes getrennt. Unsere Kundenstationen – das sind die großen, grünen Kästen, die jeder aus seiner Ortschaft kennt – werden in der Regel von mehreren Seiten versorgt. Wir sagen dazu, dass das Netz stark „vermascht“ ist. Das sorgt dafür, dass es nur einen sehr kurzen Versorgungsausfall gibt. Die Reparaturen an den beschädigten Kabeln können dann für den Kunden unbemerkt stattfinden und sind in der Regel nach spätestens einem Tag abgeschlossen.

    Es heißt, dass die Einspeisung von Strom aus regenerativen Energiequellen eine besondere Herausforderung für die Netzbetreiber ist. Kannst du das genauer erklären?

    Gert Jüchter: Die Netzbetreiber nehmen den Strom aus erneuerbaren Energien dort auf, wo er produziert wird. Das ist aus Sicht des Netzes aber nicht zwangsläufig der Ort, der am besten geeignet ist. Daher betreiben wir an vielen Stellen Netzausbau. Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht oftmals zügiger voran, als das beim Netzbau möglich ist. Das hat mit Genehmigungsfristen oder der Beschaffung von Komponenten zu tun, die teilweise lange Lieferzeiten haben. Und natürlich schauen wir auch darauf, dass wir das Netz nicht pauschal überdimensionieren, sondern den Netzausbau volkswirtschaftlich sinnvoll planen.

    Zeitweise kann das Einspeisen erneuerbarer Energien die Netze auch überlasten. Das kann unser Netz betreffen, aber auch das vorgelagerte Übertragungsnetz, quasi die „Stromautobahn“ von Nord nach Süd. Dann greifen wir steuernd in die Erzeugungsanlagen ein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Wind sehr stark weht und wir Windkraftanlagen vorübergehend abschalten müssen, weil zu viel Strom produziert wird, der unser eigenes oder das vorgelagerte Netz überlastet. Würden wir das in der Situation nicht tun, wäre das Netz überlastet und würde sich sozusagen selbst schützen, indem überlastete Komponenten (Kabel oder Transformatoren) abgeschaltet werden – dann wäre es tatsächlich in vielen Haushalten in der Region dunkel. Damit das nicht passiert, überwachen und steuern wir in der Netzleitstelle rund um die Uhr alles sehr genau.

    Ihr arbeitet dabei mit einer sehr großen Menge von Daten, die registriert, gesammelt und ausgewertet werden müssen: Inwieweit kommen Automatisierungen oder KI-Anwendungen bei euch zum Einsatz?

    Gert Jüchter: KI-Anwendungen in der Netzführung sind noch kein Thema. Automatisierung kommt aber in vielen Bereichen vor. In der Netzsteuerung werden viele Daten transportiert und genutzt. Hier versuchen wir so gut wie möglich zu automatisieren, damit die Schaltmeister in der Netzleitstelle auch weiterhin nur die bestmöglichen Informationen erhalten und die Übersicht behalten können.

    Das System kann bereits viele Aufgaben übernehmen. Künstliche Intelligenz wird irgendwann kommen, aber aktuell lässt es sich so beschreiben: Wir operieren hier täglich am offenen Herzen – da lassen wir keine künstliche Anwendung drauf los. Es gibt auch keine Autopilotfunktion für die Netzsteuerung. Es ist immer noch so, dass der Mensch in der Netzleitstelle das letzte Wort hat.

    Man liest immer wieder, dass in Stromnetzen permanent 50 Hertz aufrechterhalten werden müssen. Was hat es damit auf sich?

    Gert Jüchter: 50 Hertz sind ein europäischer Standard – dieser Wert gibt die Frequenz an, mit der sich Spannung im Netz bewegt. Es muss eine Balance bestehen zwischen dem Strom, der produziert und dem, der verbraucht wird. Nur wenn beides im Einklang ist, sind wir bei 50 Hertz. Wenn wir mehr einspeisen als verbrauchen, dann steigt auch die Frequenz. Im schlimmsten Fall würde das Netz irgendwann zusammenbrechen, daher ist die Maßgabe 50 Hertz so wichtig.

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