Hallo, Paul! Warum engagierst du dich für das Thema „Wasserstoff“?
Wasserstoff ist ein Energieträger, der einfach herstellbar sowie komplett nachhaltig und emissionslos ist, wenn er aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Bei EWE wollen wir zum einen als Unternehmen wachsen, aber gleichzeitig auch den Klimaschutz vorantreiben, und das klappt bei Wasserstoff sehr gut, denn er ist quasi unendlich verfügbar und überall einsetzbar. Gleichzeitig liegt es in meinem persönlichen Interesse unseren Kindern eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.
Wo kommt Wasserstoff denn her?
Wasserstoff ist zwar das häufigste Element auf der Erde, aber in natürlicher Form nicht vorhanden. Er ist aber in großen Teilen in Wasser gebunden, also in H2O. Mittels Elektrolyse wird es gespalten, so dass Wasserstoff und Sauerstoff übrigbleiben. Schöner Nebeneffekt: Man emittiert den Sauerstoff in die Atmosphäre, wie ein kleiner Wald.
Muss das Wasser dafür eine bestimmte Qualität haben?
Es muss, je nach Elektrolyse-Technologie, unterschiedlich aufbereitet werden, aber grundsätzlich wird Leitungs- also Trinkwasser dafür verwendet. Meerwasser müsste man vorher entsalzen, hier hätte man also weiteren Energieaufwand. Das könnte in Regionen mit Wasserknappheit das Mittel der Wahl sein. Grundsätzlich gilt: Der Wasserstoff kann unterschiedliche Farben haben, je nachdem, welche Energiequelle für die Herstellung verwendet wurde.
Unterschiedliche Farben?
Ja, genau. Ich beschränke mich mal auf die fünf bis sechs wesentlichen Farben. Wasserstoff kann nicht nur aus Wasser hergestellt werden, sondern auch aus Erdgas (im Wesentlichen CH4), also ein Kohlenwasserstoff. Der Kohlenstoff wird per Dampfreformierung abgespalten und man bekommt grauen Wasserstoff, der hierzulande bereits etabliert ist. Dabei wird aber CO2 freigesetzt. Fängt man dieses CO2 auf und speichert es unter der Erde, dann reden wir von blauem Wasserstoff. Das macht vor allem dort Sinn, wo es viele ausgelagerte Erdgasstätten gibt, etwa in Norwegen.
Und was ist grüner Wasserstoff?
Das ist der, für den wir uns stark einsetzen. Beim grünen Wasserstoff stammen die Stromquellen zur Elektrolyse ausschließlich aus erneuerbaren Energien wie etwa Photovoltaik, Wind oder Wasserkraft.
Gibt es weitere Farben?
Der türkise Wasserstoff wird ebenfalls aus Erdgas gewonnen. Hier heißt der Vorgang Pyrolyse. Dabei wird Kohlenstoff abgespalten, das vor allem in der chemischen Industrie und bei der Reifenherstellung eingesetzt wird. Von schwarzem und braunem Wasserstoff ist die Rede, wenn bei der Herstellung Kohlestrom zum Einsatz kommt. Bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021 soll so etwa das olympische Dorf energietechnisch versorgt werden. Dann gibt es noch den lilafarbenen Wasserstoff, der von den Franzosen bevorzugt wird. Der ist aus Atomstrom.
Wo kommt denn Wasserstoff vorrangig zum Einsatz?
In der Mobilität und in der Industrie. Bei allen elektrisch betriebenen Fahrzeugen, die schwerer als zwei Tonnen sind, zahlt sich Wasserstoff aus. Ist das Fahrzeug leichter, kommt es auf das Fahrprofil an. Interessant wird es für jemanden, der regelmäßig sehr weite Strecken zurücklegt. Wir konzentrieren uns auf Busse, Müllfahrzeuge und LKWs in der Nordwestregion, die wir mit grünem Wasserstoff versorgen wollen. Dabei geht es etwa um den Ausbau von Wasserstofftankstellen oder die Zusammenarbeit mit Spediteuren. In der chemischen Industrie, der Stahlindustrie oder der Zementindustrie ist Wasserstoff ebenfalls grundsätzlich einsetzbar. Das alles macht aber nur dann Sinn, wenn dabei keine zusätzlichen Emissionen entstehen – und darum brauchen wir den grünen Wasserstoff.
Und wo kann man den erleben?
Wir werden im Rahmen des Projektes Hyways For Future Dank einer Fördersumme von 20 Millionen Euro vier bis fünf Wasserstofftankstellen in Cuxhaven, Wilhelmshaven, Oldenburg und Bremen aufbauen. Gleichzeitig werden dort und zusätzlich in Bremerhaven zusammen mit den jeweiligen ÖPNV-Betreibern Busse und Müllfahrzeuge angeschafft. Nach und nach wird die Infrastruktur für den Wasserstoffantrieb immer weiterwachsen.
Wie lässt sich Wasserstoff eigentlich speichern?
EWE hat in seinen Heimatregionen vier große Speicheranlagen – im Nordwesten in Huntorf, Nüttermoor und Jemgum sowie im brandenburgischen Rüdersdorf. Alleine in Huntorf, nordöstlich von Oldenburg, gibt es sieben Kavernen. Der größte dieser unterirdischen Hohlräume ist eine Million Kubikmeter groß und kann eine Milliarde Kilowattstunden Erdgas speichern. Zur Einordnung: Die Kaverne ist mit 400 Metern etwas höher als der Berliner Fernsehturm.
Und dort lässt sich auch Wasserstoff speichern?
Die Kavernen dienen vorrangig zur Speicherung von Erdgas. In Huntorf planen wir eine Kaverne umzurüsten, damit dort auch Wasserstoff gespeichert werden kann. Vor Ort haben wir als Pilotprojekt zudem auch eine Wasserstofftankstelle aufgebaut. Mit dem Projekt „Clean Hydrogen Coastline“ strebt EWE gemeinsam mit den Unternehmen ArcelorMittal Bremen, FAUN, Gasunie, swb und TenneT an, im Nordwesten Deutschlands die Wasserstoff-Technologie über alle Wertschöpfungsstufen hinweg durch unterschiedliche Teilprojekte in das Energiesystem zu integrieren. Abhängig ist die Umsetzung des Großprojektes allerdings von der Fördergenehmigung. Die Umrüstung der Kaverne in Huntorf ist übrigens ein Teil davon.
Sind das ganz neue Anlagen?
Sowohl als auch. Wir wollen vorhandene Kavernen umrüsten, dafür brauchen wir aber auch neue technische Komponenten. Bereits seit 50 Jahren wird in Huntorf Erdgas gespeichert. EWE hat also ein halbes Jahrhundert Erfahrungen mit der Speicherung von Gasen und ist für die Zukunft gut aufgestellt.