hallo nachbar Navigation
Suche

    So können Eltern ihre Kinder im Netz schützen

    "Mein Kind macht sowas nicht" - und wenn doch? Buchautorin, Schulleiterin und Niedersachsens Digitalbotschafterin Silke Müller erzählt im hallo nachbar-Interview, womit Kinder und Jugendliche im Netz konfrontiert werden und wie sich Eltern am besten verhalten, um ihre Kinder zu begleiten und gemeinsam einen Umgang mit potenziellen Gefahren zu finden.

    © 2021 Nebojsa Tatomirov/Shutterstock
    Silke Müller Die Digitalbotschafterin
    Mehr erfahren

    Silke Müller, geboren 1980, ist eine führende Persönlichkeit im Bereich der digitalen Bildung in Niedersachsen. Seit 2015 leitet sie die Waldschule Hatten, welche bundesweit eine Vorbildfunktion in Sachen digitales Lernen innehat und unter anderem als „Smart School“ ausgezeichnet wurde. Müller engagiert sich national als Beraterin für digitale Bildung und ist eine gefragte Keynotespeakerin. 2023 erschien ihr erster Bestseller „Wir verlieren unsere Kinder“. Im Mai 2024 folgte ihr zweites Buch, das sich mit dem Einfluss künstlicher Intelligenz auf Familien und Schulen auseinandersetzt.

    Frau Müller, warum ist der Schutz von Kindern vor schädlichen Internetinhalten heute wichtiger denn je?

    Silke Müller: Im Netz sind Kinder einer ganzen Reihe schädlicher Inhalte ausgesetzt – von unrealistischen Schönheitsidealen über politische Manipulation bis hin zu verstörenden Gewaltvideos und pornografischen Darstellungen. In den letzten Jahren hat nicht nur die Menge, sondern auch die Intensität dieser schädlichen Inhalte zugenommen. Deshalb ist es absolut entscheidend, dass wir alles tun, um unsere Kinder vor diesen Gefahren zu schützen.

    Welche konkreten Gefahren bestehen für Kinder, wenn sie im Internet auf Inhalte stoßen, die nicht für ihre Augen bestimmt sind?

    Silke Müller: Ich denke, dass Kinder durch die Nutzung sozialer Medien oft ihre Sorglosigkeit verlieren. Sie merken schnell, dass sich öffentliches Engagement negativ auswirken und sogar zu Shitstorms führen kann, was sie vorsichtiger werden lässt. Das ist bedenklich, denn so könnten wir den empathischen und demokratischen Nachwuchs unserer Gesellschaft verlieren. Eine weitere Herausforderung ist die Flut an Fake News, die es Kindern erschwert, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Was mich jedoch besonders beunruhigt, ist, dass soziale Netzwerke manchmal als Plattformen für Cyberkriminelle dienen, die das Vertrauen der Kinder erschleichen und sie zu sexuellen oder sogar lebensgefährlichen Handlungen verleiten.

    Wie können Eltern ihre Kinder vor schädlichen Internetinhalten schützen?

    Silke Müller: Ehrlich gesagt … Es ist fast unmöglich, Kinder komplett vor ungeeigneten Inhalten im Internet zu schützen. Wir müssen akzeptieren, dass wir sie nicht vollständig abschirmen können. Was wir tun können, ist, unsere Kinder zu begleiten und zu unterstützen, wenn sie auf solche Inhalte stoßen. Es ist wichtig, dass Eltern nicht denken, dass ihr Kind so etwas nie tun würde. Wir müssen offen über die Risiken der Internetnutzung sprechen, denn oft bekommen Kinder durch Algorithmen Inhalte ausgespielt, die nicht altersgerecht sind.

    Ich empfehle auch, klare Regeln für die Smartphone-Nutzung festzulegen. Zum Beispiel könnten Eltern und Kinder in einem Smartphone-Vertrag vereinbaren, einmal pro Woche gemeinsam die Fotogalerie durchzusehen. Das lehrt Kinder, verantwortungsbewusst mit den Inhalten umzugehen. Außerdem sollten Eltern verstehen, dass das Smartphone kein privates Tagebuch ist. Es ist wichtig, einen Schutz- und Kontrollmechanismus zu etablieren. Zum Beispiel könnte im Vertrag festgelegt werden, dass alle Passwörter für soziale Medien bekannt sein müssen. Dies gibt zwar keine absolute Sicherheit, da Kinder zusätzliche Accounts erstellen können, aber es ermöglicht den Eltern, im Notfall eingreifen zu können.

    EWE-Smartgeber Jan im Gespräch mit Silke Müller

    Video starten

    Es gibt verschiedene Kinderschutzapps auf dem Markt. Halten Sie diese grundsätzlich für sinnvoll?

    Silke Müller: Ich halte Kinderschutzapps für sehr wichtig, weil sie ein Basislevel an Sicherheit bieten, indem sie regeln, auf welche Inhalte Kinder zugreifen können. Eine App wie Family Link, die es Eltern erlaubt zu sehen, welche Apps das Kind nutzt und wie lange, kann ich wirklich empfehlen.

    Aber nur Technik reicht nicht aus. Selbst die beste Überwachung schützt nicht vollständig vor den Risiken des Internets. Es ist entscheidend, dass Kinder wissen, dass sie mit ihren Eltern jederzeit über alles sprechen können. Das schafft einen offenen Dialog und hilft dabei, gemeinsam Probleme zu lösen. Es ist auch wichtig, dass Eltern die Technik hinter den Apps verstehen. Sie müssen wissen, wie die Algorithmen funktionieren und wie die Inhalte gefiltert werden. Sonst ist es, als würden sie mit ihren Kindern über den Geschmack von Currywurst reden, ohne sie je probiert zu haben.

    Nun haben wir viel über die Gefahren Sozialer Netzwerke gesprochen. Wenn wir uns jetzt Ihrem neuen Buch zuwenden, das sich mit künstlicher Intelligenz befasst – welche Herausforderungen sehen Sie hinter diesen neuen Technologien?

    Silke Müller: Das größte Problem in Bezug auf KI sehe ich darin, dass wir nicht souverän damit umgehen. Deshalb habe ich das Buch auch geschrieben. KI hat zweifellos positive Aspekte, und es ist faszinierend, damit zu experimentieren. Aber es gibt auch ein dunkles Loch, was künstliche Intelligenz betrifft. Was passiert mit uns, wenn Bilder und Videos verfälscht werden und wir nicht mehr an die Echtheit von Worten, Bildern oder Stimmen glauben können? Das kann zu einer neuen Dimension von Cybermobbing führen. Zum Beispiel könnten Kinder aus Gruppenfotos gelöscht werden, als wären sie nie dagewesen.

    Wir dürfen die Risiken nicht unterschätzen und müssen unsere Kinder besser schützen. Es ist wichtig, dass wir uns gründlich mit KI auseinandersetzen und verhindern, dass die Gesellschaft in „Pro-KI“ und „Anti-KI“ gespalten wird.

    Zu guter Letzt: Wenn Sie eine Sache ändern könnten, um die Sicherheit von Kindern im Internet zu verbessern, was wäre das?

    Silke Müller: Das ist wirklich eine komplexe Frage, weil es keine einzelne Maßnahme gibt, die alle Probleme löst. Ich denke, es ist entscheidend, dass Kinder so spät wie möglich ein Smartphone bekommen. Diese smartphonefreie Zeit sollte genutzt werden, um sie zu stärken und auf die Herausforderungen des Internets vorzubereiten. Das heißt nicht, dass wir sie komplett von der digitalen Welt abschirmen, sondern dass wir sie sorgfältig an diese heranführen.

    Ich befürworte eine Art „begleitete Schocktherapie“, bei der Eltern ihre Kinder aktiv über die Gefahren im Netz aufmerksam machen, egal ob es um KI oder soziale Medien geht. Es ist wichtig, dass Eltern sich selbst mit diesen Technologien auseinandersetzen und ihren Kindern beibringen, wie sie Informationen im Internet kritisch betrachten können.

    nach oben